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Unsere Entwicklung zur Altersmischung

Die Altersmischung folgte ursprünglich keinem Konzept des jahrgangsübergreifenden Lernens, sondern war eine aus großer Not geborene Lösung in Hauptschulzeiten.
Wir hatten in einer 7. Jahrgangsklasse drei herausfordernde Schüler, die so ziemlich alle Regeln der Schule übertraten, kamen und gingen, wie es ihnen gefiel, durch provokantes Verhalten Aufmerksamkeit zu erregen suchten und die Rechte der Mitschüler*innen bewusst missachteten. Das erfahrene Team versuchte unterschiedliche Ansätze, um die Jugendlichen in die Kooperation zu führen.
Da keine der Maßnahmen viel bewirkte, überlegten wir weitere Klassenkonferenzen abzuhalten, die schnell zum Antrag auf Umsetzung an eine andere Schule geführt hätten. Da wir aber schon immer nach pädagogischen Lösungen gesucht haben, blieb nur die Notlösung, die Jugendlichen übergangsweise in eine höhere Klassenstufe umzusetzen, damit sie sehen können, was von ihnen erwartet wird und sie durch das Mitwirken der älteren Schüler*innen ihr eigenes Verhalten besser reflektieren und verändern können. Diese Entscheidung hatte ungeahnt positive Folgen und führte nach mehreren Jahren, in denen wir in einzelnen Klassen Altersmischung erprobten, zur Umstellung der ganzen Schule.

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Vorteile der Altersmischung

  • Altersmischung gibt es überall. Nur selten trifft man im Alltag eine Gruppierung nach Lebensalter.
  • In altersgemischten Lerngruppen bieten sich vielfältige Anlässe zu gegenseitiger Hilfe, Kooperation, Rücksichtnahme sowie zur Entwicklung von Toleranz und solidarischem Umgang miteinander.
  • Die Integration neuer Mitschüler wird erleichtert, weil eingeübte Regeln für das Gemeinschaftsleben leicht an Jüngere weitergegeben und von diesen übernommen werden.
  • Alljährlich verlassen einige ältere Schüler die Klasse und neue rücken nach, sodass sich das soziale Gefüge nur leicht verändert. Dass die Grundstruktur weitgehend erhalten bleibt, bringt Kontinuität und Stabilität in die Gruppe. Die Neulinge sorgen aber auch für neue Impulse und frischen Wind, sodass eine dynamische Weiterentwicklung der Gruppenstruktur erfolgt.
  • Das Wiederholen oder Überspringen einer Klasse erübrigt sich, da Kinder unterschiedlich lange in einer vier Jahrgänge umfassenden Lerngruppe verbleiben können. Manche verlassen sie schon nach drei Jahren, andere nach vier oder fünf.
  • Rollenverfestigungen, Stigmatisierung und Ausgrenzung lassen sich vermeiden, weil sich jeder einmal in der Rolle des Kleinen, des Mittleren und des Großen erlebt. Dadurch gehören alle einmal zu den Jüngeren, die Hilfe erwarten können, und zu den Älteren, die sich verpflichtet fühlen, den Kleineren zu helfen. Dieser Wechsel vollzieht sich in altersgemischten Gruppen immer wieder neu. Außerdem bleibt meist niemand über längere Zeit hinweg “Streber, Star oder Außenseiter” der Klasse, da sich die Gruppenkonstellation mit jedem Schuljahr ändert und stets die Chance auf Neuanfang besteht.
  • Ältere Schüler*innen werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, wenn sie sich im Spiegel der Jüngeren als reifer erleben und als Helfer und Beschützer auftreten. Auch schwächere Schüler*innen erlangen hierdurch mehr Zuversicht. Jüngere finden in Älteren oft nachahmenswerte Vorbilder und erhalten vielseitige Anregungen für ihre sozial-emotionale Entwicklung.
  • Da es in der Altersmischung selbstverständlich ist, verschieden zu sein, lassen sich behinderte und hochbegabte Kinder leichter integrieren.
  • Altersmischung erzeugt ein didaktisch wertvolles Bildungsgefüge. Schüler*innen geben einander vielfältige Lernanregungen: Jüngere entdecken bei Älteren interessante Aufgaben, die eigentlich „noch nicht dran“ sind. Ältere Schüler*innen können bei Lernproblemen ohne Gesichtsverlust mit jüngeren zusammenarbeiten und Bekanntes wiederholen. In altersgemischten Unterrichtssituationen lässt sich manches nebenbei lernen, indem man anderen über die Schulter schaut.
  • Gegenseitige Lernhilfe lässt sich einrichten, ohne dass Unterlegenheits- und Überlegenheitsgefühle aufkommen. Unterschiedliche Kompetenzen werden aus Sicht der Kinder primär durch Altersunterschiede begründet und dadurch normal und nachvollziehbar. Gegenseitige Hilfe unter Kindern gibt Lehrer*innen Zeit für Beobachtungen und individuelle Unterstützung. Oft lernt man besonders gut durch das Lehren anderer. Ein älteres Kind erkennt eigene Lernfortschritte und festigt sein Wissen, wenn es einem anderen etwas erklärt. Dadurch sieht es die Dinge klarer, während das jüngere Kind Erklärungen von Mitschüler*innen oft besser versteht als die Erläuterungen des Lehrers, da sich Schüler*innen in ihrem Fühlen, Denken und Ausdrucksvermögen einander näher sind als Kinder und Erwachsene.
  • Leistungsunterschiede werden in altersgemischten Gruppen leichter akzeptiert. Dass für die vertretenen Jahrgänge unterschiedliche Lernziele gelten, verhindert in hohem Maße die Ausbildung von übermäßigem Konkurrenz- und Wettbewerbsdenken. Kooperatives Lernverhalten hingegen wird gefördert. Demgegenüber suggeriert eine Jahrgangsklasse aufgrund ihrer einheitlichen Leistungsanforderungen eine nicht vorhandene Gleichheit, sodass ein negatives Abweichen von der Leistungsnorm leicht als Makel oder Versagen gedeutet werden kann.